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Nicht meinungsfrei: Zensur im Internet

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen wird mit der vergangenen Woche wohl zufrieden sein: Fortan werden gelistete Seiten mit kinderpornografischen Inhalt gesperrt. Pardon- das ist natürlich der falsche Ausdruck: Es wird ihnen ein virtuelles Mäntelchen umgehangen, ein federleichter Vorhang zugezogen, der mit wenigen Klicks umgangen werden kann. Um die Kritiker etwas zu beschwichtigen, dachte sich das Team um von der Leyen und Co. eine vermeintlich geniale Idee aus: Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, soll überprüfen, ob das „Stopp-Schild“ rechtens ist. Selbst Peter Schaar hat sich offenbar verdutzt die Augen gerieben, als er das zum ersten Mal las. Wenn es nicht so traurig wäre, ließe sich glatt darüber lachen: Wie frei von jeglicher Sachkenntnis müssen die Verfasser des nun beschlossenen Gesetzestextes eigentlich sein? Denn wenn überhaupt irgendjemand in solch einer Situation etwas überprüfen sollte, dann ist das die Justiz und nicht irgendein Datenschutzbeauftragter – ganz gleich wie engagiert er sonst sein mag.

Ziemlich unerträglich ist auch das gebetsmühlenartige heruntergeleierte Totschlag-Argument, dass die Gegner dieses Gesetzes offenbar nicht ernsthaft gegen Kinderpornografie und den damit verbundenen Missbrauch vorgehen wollen. Es ist durchaus erlaubt gegen ein Gesetz zu sein, das die Freiheit untergräbt. Es verhindert keinen einzigen Kindesmissbrauch. Das einzige Ergebnis wird sein, dass die Täter lernen, wie einfach diese „Sperren“ zu umgehen sind. Und natürlich dazu, dass endlich ein zum Ausbau taugliches Instrument vorhanden ist, um unliebsame Internetinhalte vermeintlich unsichtbar zu machen.

Gerade Journalisten sollten hier einen sachlichen Überblick behalten und verstehen, dass jede Zensur letztlich auch ihre eigene Freiheit beschränkt. In diesem Zusammenhang: Schöne Grüße an die Kollegin von der EMMA und ihrem fulminanten Artikel. In dem bescheinigt sie den Gesetzes-Gegnern, dass sie sich noch nie gegen Kindesmissbrauch engagiert hätten. Als prominentestes Beispiel führt sie den CCC an, der ja noch nie solche Seiten gehackt habe. Liebe Kollegin, mein Gefühl sagt mir, dass sie dem Internet und den technischen Gegebenheiten in etwa so nahe sind, wie ein Dinosaurier einem Düsenjet.

Ganz nebenbei: Nur weil man nicht täglich gegen Todesstrafe, Frauendiskriminierung und Karies demonstriert, heißt das noch lange nicht, dass man selbiges unterstützt.

Wer wirklich ernsthaft – und nicht nur mit lautem unwirksamen Getöse wie die große Koalition – gegen den Missbrauch von Kindern vorgehen will, der kann ganz praktisch agieren: Die zuständigen Polizeikommissariate technisch und personell besser ausstatten, damit sie ihren Job machen können. Sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene. Solange das nicht geschieht, ist alles andere nur ein wirkungsloser Hokuspokus – der kein Kind schützt, aber der Demokratie massiv schadet.